Hochleistungs­medizin und Hufgeklapper – ein Blick in die Tierklinik Telgte - nexmed

8:45 Uhr – Ein stiller Hof erwacht

Morgens liegt über dem weitläufigen Gelände im Münsterland friedliche Stille. Zwischen roten Backsteinbauten, holzvertäfelten Gebäuden und hohen Bäumen ist kein Wiehern zu hören, kein Motor eines Pferdetransporters, nur die leisen Stimmen der Tierärzte und tiermedizinischen Fachangestellten, die in den Arbeitstag starten und nun nach und nach im Bauch der ­großen Diagnostikhalle verschwinden. Davor steht Dr. Matthias Niederhofer. Er ist seit 2001 einer der sechs Teilhaber der Tier­klinik mit 80 Angestellten. Er nippt an seiner Kaffeetasse mit dem ­grünen Klinik-Logo und weiß: So ruhig wie jetzt wird es nicht bleiben.

Das Einzugsgebiet der Tierklinik Telgte ist ganz Deutschland und das benachbarte Ausland. Auf Instagram folgen mehr als 4.000 Menschen dem Profil der Klinik, die über die Jahre stetig gewachsen ist, nachdem sie 1983 auf einer alten Hofstelle unweit der Pferde­hauptstadt Warendorf gegründet worden war. Das Gebäude mit dem OP-Bereich und zwei Stallungen ­stammen noch aus dieser Zeit. Heute sind es neun Stall­komplexe mit Platz für bis zu 100 Pferde, eine Reithalle, ein Verwaltungsgebäude, weitläufige Weiden und das Diagnostik­zentrum. Neben der Eingangstür zur Diagnostik hängen drei Reisigbesen. Gleich links geht es in den Röntgenraum, am Ende des Flurs befindet sich ein Raum für die zahn­medizinische Versorgung. Es gibt einen Raum für die Augen, weitere Behandlungszimmer im XXL-Format und Ultraschall gehört zum Standardrepertoire – ebenso wie weitere bild­gebende medizinische Verfahren.

Ambulanz der Tierklinik Telgte
Die Ambulanz der Tierklink Telgte ist eines von vielen Gebäuden auf dem Klinik-Campus, der neben diversen Untersuchungs- und Behandlungsräumen Platz für bis zu 100 Pferde bietet. (Foto: Christoph Carretero Klemp)

9:45 Uhr – Im CT: Pferde im Tunnel

Hinter einer schweren Schiebetür liegt der CT-Raum mit der vertrauten Silhouette der ringförmigen Röhre, die in einem radio­logischen Diagnostikzentrum für Menschen stehen könnte. Ein gewohntes Bild ist auch der Kontrollraum mit den Monitoren. Doch der Kran an der Decke und die höhenverstellbare Plattform zeigen: Hier kommen sehr große und sehr schwere Patienten in die Röhre.

Serdar Dökümersoy führt den ersten Patienten zum CT, einen Wallach mit hübscher, blonder Mähne. Der tiermedizinische Fachangestellte legt behutsam den Kopf des Pferdes auf die gepolsterte Auflage in der Röhre und bleibt während der knapp zehnminütigen Unter­suchung an der Seite des Tieres. Das Pferd ist sediert. „Wir können unsere Patienten hier zum großen Teil stehend untersuchen und benötigen keine Narkose“, erklärt Tierärztin Dr. Bernadette Rohwerder. Pferde sind Fluchttiere und versuchen, möglichst schnell, beim Aufwachen wieder auf die Beine zu kommen. Das erhöht die Sturzgefahr. Auf den Monitoren vor Rohwerder entstehen Bilder, grau in grau wird der Kiefer des Tieres bis ins kleinste Detail sichtbar. Unter anderem Erkrankungen der Kieferhöhlen, Frakturen oder orthopädische Erkrankungen können Rohwerder und ihre Kollegen mit Hilfe der Bilder diagnostizieren und Therapien ­entwickeln.

Rohwerder ist seit sechs Jahren an der Tierklinik und wurde extra für das CT eingestellt. Sie schätzt nicht nur den Austausch mit Veterinärmedizinern, ­sondern auch den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Humanmedizin: Bei den Workshops zum Einsatz des CTs sitzt Tierärztin Rohwerder neben Humanmedizinern. „Man kann viel aus der Erfahrung der Humanmediziner lernen, vor allem bezüglich der Bilderstellung.“ Anders als beim menschlichen Patienten kann das CT für den Arzt bei ­Tieren mitunter gefährlich werden. Rohwerder selbst wurde schon durch einen Pferdetritt bei einer Untersuchung eines Patienten verletzt. „Angst zu haben ist nicht gut, aber man sollte mit etwas Respekt den Pferden gegenüber­treten.“

CT-Untersuchung in der Tierklinik Telgte
Der Quarter Horse Wallach benötigt eine CT-Untersuchung aufgrund eines Verdachts auf eine Zahnwurzelentzündung. (Foto: Christoph Carretero Klemp)

Für die Tierärztin ist die Arbeit in Telgte Herzenssache. Schon ihr erstes Schülerpraktikum hat sie hier absolviert. Manchmal wird es exotisch im CT: Zwei große Schildkröten und einen Flachlandtapir aus verschiedenen Zoos hatte Rohwerder schon als Patienten. Als störrisch habe sich mal ein Esel erwiesen. Auch ­chirurgische Eingriffe unter CT-Kontrolle sind möglich. Dafür wird das Gerät umgebaut und eine orange Matte davor positioniert. Mit dem Kran, der bis zu einer Tonne tragen kann, wird das narkotisierte Pferd dort abgelegt.

Eine Narkose wird im Fall des Wallachs nicht notwendig sein, aber Rohwerder erkennt auf den Bildern sehr schnell: Der Zahn muss raus. Die Tierärztin zeigt der Besitzerin des Wallachs die Bilder, erklärt das Problem und das weitere Vorgehen. Der Patient bekommt eine Box im Stall der Klinik und einen Termin im Zahnraum für den nächsten Tag. Die Besitzerin rollt mit ihrem leeren Pferdeanhänger vom großen Platz vor dem Klinikeingang, über den Dr. Matthias Niederhofer gerade schnellen Schrittes huscht – dieses Mal mit dem Telefon am Ohr. Der 60-Jährige ist stets auf Achse in der Tierklinik, wirkt dabei aber keineswegs hektisch. Er strahlt die Ruhe aus, die im Umgang mit Pferden so essenziell ist. Der Fachtierarzt für Pferde und für Innere Medizin war früher selbst aktiver Reiter und von 2018 bis 2024 Mannschafts­tierarzt der deutschen Vielseitigkeitsreiter – unter anderem bei den Olympischen Spielen in Tokio und Paris. „Es ist natürlich schön, diese glamourösen Seiten unseres Berufs mitzunehmen“, wird Niederhofer später erzählen. Paris sei für ihn nach 25 Jahren als Mannschaftsarzt der Junioren und Senioren ein runder Abschluss gewesen.

„Mich hat es immer ­gereizt, Tiermedizin auf diesem hohen Niveau zu machen“
Dr. Matthias Niederhofer

10:45 Uhr – Hochbetrieb und Hufgeklapper

Die Szenerie auf dem Platz ist inzwischen tatsächlich eine komplett andere. Hufgeklapper schallt über den Hof, auf dem jetzt ein Dutzend Pferdetransporter stehen, ankommen oder abfahren. Im Foyer der Verwaltung kümmert sich das Empfangsteam um die Neu­an­kömmlinge. Vor Stall 4, einem urigen Gebäude mit einer alten Uhr mit goldenen Zeigern über dem Eingang, sträubt sich ein stattlicher Kaltblüter erfolgreich, in den Pferdeanhänger seiner menschlichen Begleiter zu steigen. Den passenden Takt dazu liefert der ­Hammer des Hufschmieds. In der Schmiede werden nicht nur Hufe beschlagen, hier erhalten die Pferde bei Bedarf auch orthopädische Beschläge. Im Hintergrund bellt ein Hund. Ein Pferd wiehert im Stall. „Betreten verboten“ warnt ein Schild auf einer Holztür, hinter der sich eine Strahlenschutztür zur Nuklearmedizin verbirgt.

11:15 Uhr – Spurensuche per Szintigrafie

Lisa Krull führt einen Hengst in den Raum, der mit schwarzen Gummimatten ausgelegt ist. „Das ist ein Top-Pferd, das ohne eindeutigen Befund lahmt“, sagt Lena Dienst, die in dem Untersuchungsraum die Gammakamera für eine Ganzkörperszintigrafie vorbereitet. Der Apparat ist an einem blau-gelben Kran befestigt. „Die Pferde können uns nicht sagen, wo es ihnen wehtut, dafür brauchen wir die Bilder“, erklärt Dienst. Das Pferd ist für die stehende Untersuchung sediert und hat rund eine Stunde vor der Untersuchung ein schwach radioaktives Kontrastmittel injiziert bekommen. Das reichert sich seitdem überall dort im Knochengewebe an, wo vermehrte Stoffwechselaktivität herrscht – also in Bereichen mit Entzündungen, Mikro­frakturen oder Überbelastungen. Das Fell des Pferdes glänzt im Neonlicht.

In ihren Schutzschürzen bewegen sich die beiden tier­medizinischen Fachangestellten mit dem entspannten Pferd wie in einer vielfach geübten Choreografie: die Handgriffe sitzen, die Gammakamera macht brummend ihren Job und der Bauch des Pferdes bewegt sich mit jedem Atemzug gleichmäßig auf und ab. Lisa Krull ist eng beim Pferd und hält seinen Kopf. Auf dem Bildschirm vor Lena Dienst erscheinen farbige Wärmebilder, sogenannte Szinti­gramme. Deutlich zeichnen sich die Rippen ab. Bei der Ganzkörperszintigrafie wird die gesamte Knochenstruktur gescannt. Dauer: rund zwei Stunden. Danach wird der Hengst noch 24 Stunden in einem Quarantänebereich im Stall bleiben, bis der größte Teil des Radionuklids ausgeschieden ist. Erst wenn der betroffene Bereich durch eine Szintigrafie eingegrenzt ist, kann gegebenenfalls ein MRT hochauflösende Bilder liefern, um die genaue Art und das Ausmaß der Läsion zu diagnostizieren.

Szintigrafie in der Tierklinik Telgte
Die Szintigrafie ist ein bildgebendes nuklearmedizinisches ­Verfahren, bei dem zuerst ein radioaktives Kontrastmittel injiziert wird und eine ­Gammakamera die nun vom Körper abgegebene Strahlung misst. (Foto: Christoph Carretero Klemp)

12:15 Uhr – Ein Blick ins MRT

Das eigens für die Diagnostik bei Pferden entworfene MRT steht in der Tierklinik Telgte im selben Gebäude gleich nebenan. Dort hat an diesem Tag Kellan Zwart Dienst und betrachtet an einem Stehpult die Aufnahme eines Fesselgelenks in millimeterdünnen Schnitten auf dem Bildschirm. Die tiermedizinische Fachangestellte ist die einzige Mitarbeitende, die an diesem warmen Sommertag einen Pullover mit Reißverschluss über dem Tierklinik-Poloshirt trägt. Ihr Arbeitsplatz am MRT ist permanent gekühlt, damit der Magnet des Geräts richtig funktioniert. Seit zehn Jahren ist Zwart MRT-Operator in einem dreiköpfigen Team.
Auch hier wird deutlich: Ob der Patient Hände und Füße oder Hufe hat, Präzision ist in beiden Welten gefragt. „Was wir hier vor allem brauchen, ist Geduld“, sagt Zwart. Die Untersuchung erfolgt am tief sedierten, stehenden Pferd. Hufeisen werden unmittelbar vor der Untersuchung entfernt und können nach dem MRT vom Klinik-Schmied vor Ort wieder angebracht werden. Die Untersuchung selbst dauert je nach Umfang 1,5 bis 3 Stunden. Was ebenso gefragt ist: Empathie. „Natürlich geht es mir nahe, wenn eine komplette Familie hier steht und ich kenne den schlechten Befund für ihr Pferd als Erste“, sagt Zwart.

MRT-Untersuchung in der Tierklinik Telgte
Die Untersuchung ­erfolgt am tief ­sedierten, ­stehenden Pferd mit einem speziell für Pferde ­entwickelten MRT-Gerät. (Foto: Tierklinik Telgte)

13:45 Uhr – Teamplayer und Technik für das Tierwohl

Im Konferenzraum im Obergeschoss des Verwaltungsgebäudes erzählt Dr. Niederhofer, dass in den vergangenen Jahren der orthopädische und bildgebende Bereich der Klinik stark angewachsen sei. „Bildgebende Verfahren wie das CT spielen eine große Rolle für uns. Wir versorgen mit der Bildgebung nicht nur die eigenen Patienten, sondern zu einem großen Prozentsatz die umliegenden Tierärzte“, sagt Niederhofer. Beim MRT und CT erhält der überweisende Tierarzt innerhalb von 24 Stunden einen Befundbericht mit Empfehlungen zur weiter­führenden Diagnostik und Therapie.

„Mich hat es immer gereizt, Tiermedizin auf diesem hohen Niveau zu machen“, sagt Niederhofer. „Das ist hier möglich, weil die Kolleginnen und Kollegen über die Expertise verfügen und wir die medizinische Ausrüstung haben.“ Jeder habe sein Stecken­pferd, aber essenziell sei das Teamplay aller Mitarbeitenden. Insgesamt 21 Tierärztinnen und Tierärzte beschäftigt die Klinik, neun absolvieren derzeit ihre Facharztausbildung. „Die Pferdemedizin ist ein weites Feld und es ist eine unserer ­großen Stärken, dass wir uns fachlich aus­tauschen und gemeinsam die kniffligen Fälle angucken können.“

Im Hof klappern die Hufeisen über den Asphalt. Es ist einer von rund 50 ­Patienten, die allein an diesem Tag in der Telgter Tierklinik untersucht und operiert werden.

Weitere Informationen zur Tierklinik Telgte finden Sie unter www.tierklinik-telgte.com.

Redaktion: Christoph Carretero Klemp
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